Zusammenfassung:Die türkische Wirtschaft wächst, der Gegenwind allerdings aus. Präsident Recep Tayyip Erdogan.Sean G
Die türkische Wirtschaft wächst, der Gegenwind allerdings aus. Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Die Türkei nimmt in der Weltwirtschaft derzeit eine Sonderrolle ein: Die Inflation beträgt 62 Prozent, der Leitzins 40 Prozent. Die Lira ist eine der schwächsten Währungen der Welt. Doch gleichzeitig wächst die Wirtschaft kräftig.
Laut OECD gehört die Türkei 2023 mit plus 4,5 Prozent zu den Industrieländern mit dem größten Wirtschaftswachstum. Die Rating-Agentur S&P hob gerade den Ausblick für die Kreditwürdigkeit der Türkei an.
Die 180-Grad-Wende von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan scheint zu greifen.
Die Wirtschaft der Türkei gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Die Menschen ächzen unter 62 Prozent Inflation. Die Lira gehört zu den schwächsten Währungen der Welt. Im Kampf gegen den Verfall hat die Zentralbank den Leitzins auf 40 Prozent angehoben. Da wäre es kein Wunder, läge die Wirtschaft am Boden. Doch im Gegenteil: Gerade erst hat die OECD die Prognose für die Türkei für 2023 auf 4,5 Prozent angehoben. Das Land am Bosporus zählt aktuell zu den wachstumsstärksten Ländern der Welt.
Die Türkei bleibt ein Phänomen. Lange hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seiner Wirtschaftspolitik für Kopfschütteln gesorgt. Als die Preise in der Türkei stark stiegen, hatte er verlangt, die Zinsen zu senken. Wer in der Zentralbank und im Finanzministerium seinen „Erdoganomics nicht folgen wollte, ersetzte er durch willfährige Gefolgsleute. In Folge stieg die Inflation 2022 auf sagenhafte 85 Prozent. Die Landeswährung Lira verfiel. Größere Verluste verzeichnete nur der argentinische Peso.
Nach seinem knappen Wahlsieg bei der Präsidentenwahl im Februar überraschte Erdogan dann erneut, diesmal mit einer 180-Grad-Wende. Er holte den früheren Finanzminister Mehmet Simsek zurück. Erdogan hatte den Ökonomen zuvor zeitweise durch seinen Schwiegersohn ersetzt. Auf Vorschlag Simseks machte er die an der Wall Street ausgebildete Bankerin Hafize Gaye Erkan zur Gouverneurin der Zentralbank – und gelobte eine Rückkehr zu wirtschaftlicher Vernunft.
Die Neuen machten sich an die Arbeit. Finanzminister Simsek erhöhte zahlreiche Steuern, um das Etatdefizit zu begrenzen und die Kosten des verheerenden Erdbebens zu Jahresbeginn stemmen zu können. Erkan schwor die Zentralbank auf den Kampf gegen die Inflation ein und erhöhte die Zinsen in schnellen Schritten, zuletzt an 23. November, auf 40 Prozent. Die Inflation stieg zunächst weiter.
Zum einen macht die weiche Lira die Importe für die Türkei teuer. Die Türkei trifft das hart, weil sie über 95 Prozent ihrer Energie und viele Lebensmittel importieren muss. Zum anderen fachte der Staat die Preise mit den Steuererhöhungen neu an. Zum Dritten wurde der gesetzliche Mindestlohn innerhalb eines Jahres um 100 Prozent angehoben.
Nachdem die Inflation vorübergehend zurückgegangen war, zog sie seit dem Sommer wieder an. Nun scheint ein Höhepunkt erreicht. Im November stieg die Inflation zwar noch einmal, aber „nur noch von 61,4 auf 62 Prozent. Das war weniger stark als erwartet.
Der Anstieg der Inflation hat sich verlangsamt. Im Monatsvergleich stiegen die Preise im November nur noch um 3,3 Prozent. Im Juli und August hatte der Preisanstieg zum Vormonat noch fast zehn Prozent betragen.
Weniger Erfolg hatte die Zentralbank bisher bei der Lira. Allen Zinserhöhungen zum Trotz fiel die Währung Ende November auf einen historischen Tiefststand von fast 29 Lira für einen Dollar. Anfang Dezember war der Kurs bei 28,90 nur knapp besser. Seit Jahresbeginn hat die Lira zum Euro und zum US-Dollar fast ein Drittel ihres Wertes verloren.