Zusammenfassung:Die Autoindustrie ächzt unter dem veränderten politischen Weltklima. Strafzahlungen für nicht erreic
Die Autoindustrie ächzt unter dem veränderten politischen Weltklima. Strafzahlungen für nicht erreichte Klima-Ziele würden sie jetzt besonders hart treffen.
Seit diesem Jahr sollten neue CO₂-Flottenziele für die Autoindustrie gelten. Das heißt konkret: Die durchschnittlichen CO₂-Emissionen der verkauften Neuwagen müssen von aktuell 116 g/km auf unter 93,6 g/km sinken – eine Reduktion um 19 Prozent. Um die Ziele zu erreichen, müsste der Marktanteil von Elektroautos auf etwa 20 bis 22 Prozent steigen. Doch davon sind einige Hersteller weit entfernt. Und das, obwohl Plug-in-Hybride in den Flottenzielen der EU für 2025 berücksichtigt werden.
Eine Überschreitung der Flottenziele kann sehr teuer werden. Die EU verhängt 95 Euro Strafe pro Gramm CO₂-Überschreitung, multipliziert mit der Anzahl der verkauften Fahrzeuge des jeweiligen Herstellers. Betroffen sind vor allem Volkswagen, Ford, Mercedes und Marken aus dem Stellantis-Konzern. Und so ist es kein Wunder, dass sich die Industrie seit Monaten gegen die Umsetzung der Regulierung wehrt. Da das China-Geschäft am Boden liegt und die Investitionen in die E-Mobilität sich bisher nicht ausgezahlt haben, kämen Strafzahlungen zur Unzeit für diese Hersteller.
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Flottenziele werden verschoben
Die EU-Kommission reagierte zunächst nicht, hat nun aber aufgrund der sich veränderten geopolitischen Herausforderungen eine Neubewertung vorgenommen. Die Einführung der Flottenziele wird zwar auf dem Papier nicht verschoben, aber die Ziele müssen innerhalb eines Drei-Jahres-Fensters erreicht werden. Das bedeutet, dass alle Hersteller jetzt bis 2028 Zeit haben, die Ziele zu erreichen. Die betroffenen Hersteller müssen also keine Strafzahlungen in diesem Jahr befürchten.
Die Entscheidung wird auch kritisiert. Denn wer garantiert, dass die Hersteller dann in drei Jahren erneut vorstellig werden, sollte sich die Lage nicht verändert haben? Zudem wird befürchtet, dass einige Hersteller die Pause nutzen, um die Transformation noch weiter herauszuzögern, damit sie ihre Profite hochhalten können. Notwendige Investitionen könnten ausgesetzt und verschoben werden. Was am Ende dazu führt, dass die Konkurrenzfähigkeit der gesamten Industrie leiden könnte.
Angesichts eskalierender Handelskonflikte gibt es wohl kaum Alternativen zu dieser Verschiebung. Die EU wird so zum Rettungsanker für eine Industrie, die auch 2025 unter Druck stehen wird. In Brüssel überlegt man zusätzlich, wie man der Industrie weiter unter die Arme greifen kann. Das betrifft vor allem die Batterieproduktion. Die EU drängt seit Jahren auf eine in Europa ansässige Batteriefertigung, hat dafür bisher aber auch nur wenig getan. Das soll sich ändern, indem man den Geldhahn aufdreht und EU-Hersteller fördern will. Am Ende sollen Akkus aus der EU nicht mehr kosten als jene aus China.
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Die Autoindustrie als wichtiger Export-Faktor
Die EU erkennt die Autoindustrie als zentralen Bestandteil der Export- und Technologiewirtschaft – und sogar als wichtigen Faktor für die militärische Verteidigungsstrategie. Ingenieure aus der Automobilbranche werden in der Rüstungsindustrie dringend benötigt. Unverändert bleibt jedoch das Verbrennerverbot. Brüssel betont, dass die Öffnung für E-Fuels bereits eine ausreichende Flexibilisierung darstellt. Eine weitere Verschiebung sei ausgeschlossen. Auch Volvo, Teil des chinesischen Geely-Konzerns, hat davor gewarnt, das Verbot aufzuheben.
Die EU verfolgt eine mehrgleisige Strategie zur Stabilisierung der Autoindustrie. Einerseits werden CO₂-Vorgaben gelockert, andererseits gibt es finanzielle Unterstützung. Zudem wird auf Strafzölle gegen China vorerst verzichtet. Autohersteller stehen nun in der Verantwortung, die Transformation ernst zu nehmen. Die geschenkten Jahre müssen genutzt werden, um die Branche neu aufzustellen – auch wenn das kurzfristig die Profite schmälert. Die Zeiten, in denen Gewinnmaximierung über allem stand, sind vorbei.
Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.