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Die Schweiz gehört zu den Ländern, in denen die Zentralbanken die Zinsen bereits gesenkt haben.
Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag ihre Leitzinsen senken. Sie leitet damit als erste der großen, aber lange nicht als erste Zentralbank die Zinswende ein.
Denn in Ländern wie der Schweiz und Schweden, in Osteuropa oder Lateinamerika haben etliche Zentralbanken ihre Zinswende bereits begonnen.
Die Gründe sind unterschiedlich. In vielen Fällen sei der Zyklus aus Inflation und Zinserhöhungen nur nach vorne verschoben, urteilt Analyst Pascal Kielkopf von HQ Trust.
Es gilt aus ausgemacht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag ihre Leitzinsen senkt. Bemerkenswert ist, dass die EZB die Zinswende damit vor der US-Fed einleiten würde. Das hat es seit 14 Jahren nicht gegeben. Die EZB wäre damit zwar die erste der großen Notenbank, aber bei weitem nicht die erste Notenbank, die ihre Zinsen in diesem Inflationszyklus wieder senkt. Etliche Zentralbanken in Europa und Lateinamerika sind längst vorgeprescht. Hier sind die wichtigsten Beispiele und ihre Hintergründe.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Zinswende bereits Mitte März vollzogen. Die SNB senkte ihren Leitzins seinerzeit überraschend von 1,75 auf 1,5 Prozent. Es war ihre erste Zinssenkung seit 2015. Zum Vergleich: Der wichtigste Leitzins der EZB beträgt aktuell 4,0 Prozent. Die Leitzinsen der US-Fed liegen in der Spanne zwischen 5,25 und 5,5 Prozent.
Die Schweiz nimmt in Europas Wirtschaft eine Sonderstellung ein. Dies zeigt sich auch in der jüngsten Inflationswelle Die Teuerung fiel in der in Schweiz milder aus. Dies hatte mehrere Gründe: Die Schweiz verfügt über viel Wasser- und Atomkraft ist daher weniger auf Energieimporte angewiesen. Das Land schützt zudem seine Nahrungsmittelproduzenten mit Zöllen. Entsprechend importiert die Schweiz weniger Lebensmitteln. Das macht Nahrungsmittel in der Schweiz generell teuer. In der jüngsten Inflationswelle stiegen ihre Preise aber nicht mehr so stark.
Die Inflation ging in der Schweiz bereits bis Mitte 2023 deutlich zurück. Für dieses Jahr rechnet die Notenbank nur noch mit einer Inflationsrate von 1,4 Prozent. Ihr Ziel ist ein Wert von höchstens zwei Prozent. Folglich sah sie sich in der Lage, die Zinsen zu senken. Sorgen macht der SNB allenfalls, dass der Schweizer Franken durch das größere Zinsgefälle unter Druck geraten könnte.
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Schweden: Schneller Rückgang der Teuerung
Vor einem Monat senkte Schwedens Notenbank erstmals seit acht Jahren die Zinsen. Die Riksbank (Reichsbank) senkte den Leitzins in einem ersten kleinen Schritt um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent. Damit gab sie die parallelen Zinssätze zur EZB auf. Zuvor hatte sie die Zinsen in acht Schritten angehoben. In Schweden war die Inflationsrate im Herbst 2022 wie in der Euro-Zone auf über zehn Prozent geschnellt. Inzwischen liegt sie wieder in der Nähe des Ziels von 2,0 Prozent.
Die Riksbank in Stockholm kündigte sogar recht offensiv an, dass sie die Zinsen in diesem Jahr noch zwei Mal senken wolle. Voraussetzung sei, dass sich die Inflationsaussichten nicht ändern. Auch die schwedischen Währungshüter bewegt zudem die Sorge, mit früheren Zinssenkungen als EZB, US-Fed oder Bank of England die schwedische Krone zu schwächen. Dies würde Importe verteuern und könnte damit die Inflation neu anheizen.
Schwellenländer: Brasilien und Mexiko mit früherem Zyklus
Bereits im März hatte der Analyst Pascal Kielkopf von HQ Trust in einer Analyse darauf hingewiesen, dass zahlreiche Schwellenländer ihre Zinsen bereits wieder gesenkt hatten – allerdings auf einem deutlich höheren Niveau. Darunter sind auch die beiden größten Volkswirtschaften Lateinamerikas, Brasilien und Mexiko.
In vielen Schwellenländer habe der Inflations- und Zinszyklus vor den großen Industrieländern gelegen. So habe in Brasilien die Inflation bereits ab Sommer 2020 angezogen. „Um die Währung stabil zu halten, erhöhen die Zentralbanken der Schwellenländer bei steigenden Inflationsraten meist recht zügig die Zinsen“, analysiert Kielkopf. Als Brasiliens Zentralbank im Februar 2021 begann, die Zinsen zu erhöhen, stand die Inflation bei fünf Prozent: „Im April 2022 erreichte sie mit 12 Prozent ihr Maximum und kam seitdem wieder deutlich zurück. Bei der ersten Zinssenkung in Brasilien m August 2023 lag die Inflation nur noch bei 4,5 Prozent.”
Ungarn, Polen und Tschechien
Auch in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas seit der Zinszyklus vorgezogen. Länder wie Polen, Ungar oder Tschechien hätten die Folgen von Russlands Angriff auf die Ukraine viel stärker und direkter über steigende Preise zu spüren bekommen als Deutschland oder die gesamte Eurozone. In Osteuropa hätten die eigenständigen Zentralbanken entsprechend früher begonnen, die Zinsen zu erhöhen. Sie liegen auch nach der jüngsten Zinssenkungen noch höher als die Leitzinsen der EZB, wie die folgende Grafik mit Stand Mitte März zeigt. Sie zeigt auch die Sonderstellung der Schweiz.
HQ Trust
Insgesamt weiche die Zeitspanne zwischen der ersten Zinserhöhung und der ersten Zinssenkung bei den Ländern, die ihre Zinsen bereits wieder gesenkt haben, nicht signifikant von der EZB ab. Kielkopf: „Im Median hielten die Zentralbanken in den neun Ländern den Leitzins für zwölf Monate auf dem Maximum, bevor sie wieder damit anfingen, ihn zu senken. Dies entspricht auch ungefähr dem Zeitpunkt, wenn von der EZB und Fed die ersten Zinssenkungen erwartet werden.
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